*zapp*
... nun einen Blick auf Medea, wo ein bizarrer Rechtsstreit um historische Verträge, wirtschaftliche Interessen und die Souveränität Ihrer Majestät in einem entlegenen Winkel des Königreiches entbrannt ist.
Ein Jeep fährt durch die medeische Wüste. Stimme aus dem Off.
Das Hwala Territory ist eine der trockensten und am dünnsten besiedelten Regionen der Crown Colony. Beträgt die Einwohnerdichte in Medea generell nur 20,5 Einwohner pro Quadratkilometer, sind es hier gerade einmal 2,5. Nur eine halbe Stunde Autofahrt vom lebendigen Kabisa entfernt, fährt man hier sehr lange durch die Wüste, ohne ein menschliches Gesicht vor Augen zu bekommen. Seit Jahrhunderten ist dies das Land der Hwala, eines halbnomadigen Stammes der Swareg, die ihren Lebensunterhalt dem kargen Boden dieses Landes abringen müssen. Jahrhunderte lang bedeutete dies nichts anderes als Jagd und Viehzucht. Doch seit einiger Zeit ist alles anders.
Hinter einer Düne wird ein gewaltiger Urantagebau sichtbar. Riesige Schaufelradbagger sind pausenlos im Einsatz, während Lastkraftwagen inmitten der Arbeiten hin und her fahren.
Dies ist die Uranmine von Red Lion Creek, der derzeit produktivste Urantagebau der Welt. Seit Aufnahme der Uranförderung in den 1980er Jahren ist hier im Territory nichts mehr wie zuvor. Die Gewinne der Minen haben die Hwala zum wahrscheinlich reichsten Stamm Medeas gemacht, was durch die intakten Clan-Strukturen fast der gesamten Bevölkerung zugute kommt. In den vereinzelteln Hwala-Städtchen auf unserer Strecke sehen wir moderne Krankenhäuser und Schulen, aber auch Sportwagen aus astorianischer Produktion. Eine medeische Erfolgsgeschichte, wie es sie in der Crown Colony derzeit kein zweites Mal gibt.
Doch trotzdem gibt es nun scheinbar Ärger im Territory. Unter Gloria Hwala, Chief der Hwala Nation seit 2009, tritt der Stamm mehr und mehr auch politisch in Erscheinung. Mit einer Rede an der University of Medea in Sermor, die von den Hwala seit Jahren finanziell unterstützt wird, sorgte Chief Gloria nun landesweit für Aufregung: Das Oberhaupt der Hwala stellt darin indirekt in Frage, dass Ihre Majestät Jane II. rechtmäßiger Souverän über die Gebiete der Hwala ist, und beansprucht für sich selbst dieselben protokollarischen Rechte eines albernischen Monarchen.
Der Streit entzündet sich an einem Vertrag von 1693, der zwischen dem winländischen Handelsreisenden William Lloyd Ashby und Zumba V., damaliger Chief der Hwala, in der winländischen Handelsniederlassung Fort Kabisa abgeschlossen wurde. Die Unterzeichner dieses nur auf albernischer Sprache abgefassten Dokumentes versichern sich der Einstellung kriegerischer Handlungen und der Aufnahme von gegenseitigen Handelsbeziehungen unter der Garantie fester Preise. Insbesondere aber, so Chief Gloria, gehe aus dem Vertrag hervor, dass sich Hwala und Winländer gegenseitige Souveränität über ihre jeweiligen Einflusssphären zusicherten. So werde Zumba in dem Dokument als "King of the mighty Walla people" bezeichnet, was einer völkerrechtlichen Anerkennung der Hwala Nation gleichkomme. Da der Vertrag nie aufgekündigt worden sei und die Albernier erst nach dem großen Swareg-Aufstand von 1919 die faktische Kontrolle über das Gebiet erlangt hätten, seien die Hwala daher nicht als Untertanen Ihrer Majestät anzusehen, so Gloria. Dies sei nicht als Sezessionserklärung zu werten, müsse aber zu einer Neuausrichtung der Beziehungen zwischen den Hwala und dem Königreich führen.
Das Bild wechselt. Statt der medeischen Wüste ist nun die Universität von Osbury zu sehen. Der Himmel ist grau, es regnet.
Wir baten Professor Ian Shankley von der University of Osbury, das fragliche Dokument für uns historisch einzuordnen.
"Nun, der Vertrag unterscheidet sich insofern von anderen Dokumenten aus der Kolonialzeit, als er im Namen von Jeremy III abgeschlossen wurde, des minderjährigen Sohnes von Jeremy II und letztem männlichen Monarchen aus dem House of Siward. Dieser auch als 'Desert King' bekannt gewordene König regierte nie von albernischem Boden aus, sondern wurde von Royalisten ins ferne Sermor gebracht - man könnte auch sagen: entführt –, um ihn dem Zugriff des Duke of Hallcester zu entziehen. Verständlicherweise waren dieser Gegenkönig und seine Beamten sehr auf Anerkennung ihrer Ansprüche auf den Thron bedacht, was die ungewöhnliche Anerkennung eines nericanischen Stammeshäuptlings als protokollarisch gleichrangig erklären könnte. Allerdings kann es sich hier auch um den Alleingang eines Abenteurers in den Kolonien gehandelt haben, der ohne Rücksprache mit den Regierungsräten in Sermor erfolgte. In jedem Fall wurde dieser Vertrag aber niemals von späteren Monarchen aus dem House of Orange bestätigt, weshalb mir seine Relevanz für die heutige Monarchie äußerst fragwürdig erscheint. Dies zu klären ist jedoch Sache von Juristen, nicht von Historikern."
Beobachter gehen davon aus, dass die Rede von Chief Gloria in erster Linie wirtschaftlichen Interessen geschuldet ist. So würde ein Ausscheiden aus der Zollunion mit Albernia den Hwala günstigere Uranexporte ins Ausland ermöglichen, wo der Ausbau von Kernkraftwerken nach wie vor politische Unterstützung findet. Und damit zurück ins Inland...
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